Der Greifreflex: Festhalten und Loslassen

Bewertet von: HiMommy Expert Board
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13. Mai 2025
Inhaltsverzeichnis
Die winzigen Finger deines Neugeborenen, die sich fest um deine Hand schließen, gehören zu den schönsten Wundern der Natur – dem palmarischen Greifreflex. Diese automatische Reaktion ist von Geburt an vorhanden und entwickelt sich in den ersten 20 Wochen stark weiter – vom reflexartigen Handeln hin zur bewussten Handkontrolle.
Was ist der Greifreflex?
Der Greifreflex wird automatisch ausgelöst, wenn Druck auf die Handfläche deines Babys ausgeübt wird:
- Bereits vor der Geburt im Mutterleib vorhanden
- So stark, dass manche Neugeborene kurzzeitig ihr eigenes Gewicht tragen können
- Beidseitig – tritt in beiden Händen gleichzeitig auf
- Wird oft begleitet vom plantarischen Greifreflex der FĂĽĂźe (Zeheneinziehen bei Druck auf die FuĂźsohle)
Dieser angeborene Reflex dient weit mehr als nur süßen Fotomomenten – er hat wichtige entwicklungspsychologische Funktionen.
Die Entwicklung im Ăśberblick
Woche 1–6: Reine Reflexphase
In den ersten Lebenswochen:
- Das Greifen erfolgt rein reflexartig
- Loslassen ist noch nicht möglich
- Die Griffstärke variiert, ist aber meist um die 1.–2. Woche am stärksten
- Symmetrische Reaktion beider Hände
Woche 7–12: Übergangsphase
Mit zunehmender Hirnreifung:
- Der Reflex schwächt sich langsam ab
- Erste freiwillige Halteversuche begleiten den Reflex
- Loslassen ist schwierig, aber möglich
- Babys beginnen oft, ihre Hände interessiert zu beobachten
Woche 13–20: Bewusste Handkontrolle
Im Alter von 3–5 Monaten:
- Der Reflex verschwindet weitgehend
- Willentliches Greifen ersetzt die automatische Reaktion
- Das gezielte Loslassen gelingt besser, wenn auch noch unkoordiniert
- Erste Versuche, Objekte von einer Hand in die andere zu geben
Die neurologische Bedeutung
Der Ăśbergang vom Reflex zur freiwilligen Bewegung ist ein wichtiger Meilenstein der Hirnentwicklung:
- Die Kontrolle verlagert sich vom RĂĽckenmark (Reflexe) zur GroĂźhirnrinde (willentliche Steuerung)
- Neue Nervenverbindungen zwischen Sinnesreizen und Bewegungsantworten entstehen
- Gehirnbereiche fĂĽr Feinmotorik bilden funktionale Netzwerke
- Hemmungsbahnen entwickeln sich (Fähigkeit, eine Handlung zu stoppen)
Das Verschwinden des Reflexes zeigt also nicht etwa einen Verlust, sondern ein Fortschreiten der Reifung an.
So förderst du die Handentwicklung
In dieser Ăśbergangszeit kannst du dein Baby unterstĂĽtzen:
- Gib ihm Gegenstände mit verschiedenen Oberflächen (glatt, rau, weich, fest)
- Biete Dinge in unterschiedlichen Größen und Gewichten an
- Platziere Spielzeuge so, dass es sie zufällig mit den Händen berühren kann
- Zeige Freude, wenn dein Baby etwas ergreift – das verstärkt die Motivation
- Fördere beide Hände gleich, um eine ausgewogene Entwicklung zu unterstützen
Mehr als nur eine körperliche Entwicklung
Der Übergang vom Greifen zum Loslassen steht symbolisch für größere Entwicklungsthemen:
- Vertrauen aufbauen (festhalten) und Unabhängigkeit entwickeln (loslassen)
- Vom elterngeleiteten Erleben zur Selbstregulation
- Vom automatischen Reagieren hin zu bewussten Entscheidungen
Dieser scheinbar einfache Reflex und seine Ablösung durch gezielte Bewegung spiegeln die gesamte Entwicklungsreise deines Kindes wider – vom instinktiven Funktionieren zur bewussten Interaktion mit der Welt.
Wenn du also in den ersten 20 Wochen spürst, wie sich die kleinen Finger deines Babys vom reinen Reflexgriff zu einem bewussten Festhalten entwickeln, bist du Zeuge einer tiefgreifenden neurologischen Veränderung – einer Entwicklung, die das Fundament legt für alles, was noch kommen wird: Essen, Schreiben, Gestalten und das Verbinden durch Berührung.